Behandlung von Krebserkrankungen mit dendritischen Zellen
Allgemeines zu Krebsbehandlungen
Die Medizin hat verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zur Bekämpfung von Krebserkrankungen entwickelt, die einzeln oder in Kombination miteinander eingesetzt werden.
Immuntherapien bei Krebs
Bei vielen Krebserkrankungen, vor allem in fortgeschrittenen Stadien, rückt wegen der geringen Wirksamkeit der Standardtherapien die Notwendigkeit in den Vordergrund, neue Therapieformen zu entwickeln. Hier nahm insbesondere das Interesse an Immuntherapien in den letzten Jahren zu.
Das Immunsystem setzt sich aus einer Vielzahl von Substanzen und Zellen zusammen, die bei den unterschiedlichen Forschungs- und Studienansätzen als Werkzeuge zum Einsatz kommen.
Längst sind nicht alle Wechselwirkungen im Immunsystem selbst und innerhalb des menschlichen Körpers bekannt, trotzdem konnten Medikamente, die immunologische Prinzipien nutzen, eine Zulassung erreichen:
- Erstzulassung einer Antikörpertherapie bei Krebs: Trastuzumab / Herceptin® beim metastasiserten Mammakarzinom und einer Überexpression von Her2/neu (USA, 1998)
- Erstzulassung einer Impfung zur Prävention von Gebärmutterhalskrebs mit den HPV-Impfstoffen Gardasil® (USA, 6/2006) und Cervarix® (Australien, 5/2007);
(Medizinnobelpreis 2008 für Harald zur Hausen für die Entdeckung der Auslösung von Gebärmutterhalskrebs durch humane Papillomviren - Erstzulassung einer autologen zellulären Immuntherapie mit dendritischen Zellen zur Therapie des hormonrefraktären Prostatakarzinoms: Sipuleucel-T / Provenge® (USA, 4/2010)
(Medizinnobelpreis 2011 für Ralph M. Steinman für die Entdeckung der dendritischen Zellen und ihrer Rolle in der adaptiven Immunität)
Immuntherapie mit dendritischen Zellen
Das Immunsystem hilft dem Menschen gesund zu bleiben, indem es Krankheitserreger wie Bakterien und Viren, aber auch Krebszellen, als schädlich erkennt und abtötet. Seit einiger Zeit weiß man, dass zur Erkennung von Fremdkörpern (Antigenen) sogenannte antigenpräsentierende Zellen benötigt werden. Diese antigenpräsentierenden Zellen machen das Immunsystem auf den Eindringling aufmerksam und aktivieren andere Immunzellen, ihn mit unterschiedlichen Mitteln zu bekämpfen.
Zu den wichtigsten antigenpräsentierenden Zellen gehören die dendritischen Zellen. Sie haben baumartige Zellfortsätze (gr. dendron = Baum), mit denen sie auf ihrem Weg durch die Lymphe und das Blut nach Fremdkörpern suchen.
Krebszellen unterscheiden sich von gesunden Zellen. Diesen Unterschied, dieses Ausmaß an „fremd“ nutzt man in der Immuntherapie, um den Krebs mithilfe der körpereigenen Abwehrkräfte zu bekämpfen.
Antigenpräsentierende Zellen in der Haut, die Langerhans Zellen, haben bei den klassischen vorbeugenden Impfungen ihren Nutzen gezeigt. Im Blut kommen antigenpräsentierende Zellen in geringer Menge als dendritische Zellen vor. Hier wurden sie von Steinman und Cohn 1973 beschrieben (Medizinnobelpreis 2011 für R. M. Steinman).
Neben der Möglichkeit, dendritische Zellen in geringer Menge aus dem Blut oder aus dem Knochenmark zu isolieren, können sie aus ihren Vorläuferzellen im Blut, den Monozyten, gewonnen werden. Erst die Klärung ihrer Herkunft aus der myeloischen Reihe machte es möglich, so größere Mengen an antigenpräsentierenden Zellen auf einfache Art zu gewinnen (Peters et al. 1987).
Bei der Immuntherapie mit dendritischen Zellen wird eine Untergruppe der weißen Blutzellen eines Patienten, die Monozyten, über eine herkömmliche Blutentnahme oder über eine Leukapherese gewonnen. Im Reinraumlabor werden diese Monozyten mithilfe zellulärer Botenstoffe (Zytokine, Wachstumsfaktoren) zu antigenpräsentierenden Zellen, den monozytäten dendritischen Zellen, ausdifferenziert.
Während dieser Zeit können die noch „unreifen“ dendritischen Zellen zusätzlich auf den Krebs aufmerksam gemacht werden. Die unreifen dendritischen Zellen können Tumorantigene, Tumorlysate aufnehmen, phagozytieren und so wichtige Merkmale des Tumors dem Immunsystem anschließend auf ihrer Oberfläche präsentieren. Diesen Vorgang nennt man priming. Darüber hinaus sind die dendritischen Zellen auch in der Lage, im Körper des Patienten Tumorantigene aufzunehmen und können mithilfe zellulärer Botenstoffe aktiviert werden.
In Abhängigkeit von der individuellen Situation des Patienten und den Eigenschaften seines Tumors werden die Stimulationsprotokolle für jeden Patienten speziell festgelegt.
Nach 7 Tagen in der Zellkultur werden die „geschulten“ und aktivierten dendritischen Zellen den Patienten wie eine Impfung in die Haut oder in eine Vene zurückgegeben. Eventuell wird eine immunologische Begleitstimulation mit zellulären Botenstoffen lokal durchgeführt, da die Immunantwort in bestimmten Fällen hierdurch verstärkt werden kann.
Nebenwirkungen
Immuntherapien haben wie alle Medikamente auch Nebenwirkungen.
Auch wenn die Datenlage - bedingt durch die Tatsache, dass diese Therapien relativ neu sind - keine so genauen Aussagen wie bei lange etablierten
Therapien erlaubt, so lassen sich doch mit zunehmenden klinischen Erfahrungen und einer größeren Anzahl publizierter Studien gewisse Einschätzungen geben.
Grippeähnliche Symptome wie Fieber, Schüttelfrost, Müdigkeit sowie eine Rötung, Schwellung und Juckreiz an der Impfstelle treten durchaus häufig auf. Solche Erscheinungen gehen in der Regel innerhalb von kurzer Zeit zurück, ohne dass sie behandelt werden müssen oder können meist mit fiebersenkenden, antiallergischen oder schmerzstillenden Medikamenten problemlos behandelt werden.
Andere Nebenwirkungen können von der Lage und Art des Tumors abhängig sein.
Weitere seltene selbst beobachtete oder von anderen Arbeitsgruppen veröffentlichte Nebenwirkungen sind: Übelkeit, Durchfall, Erbrechen, Reaktivierung
einer Autoimmunerkrankung, rheumatoide Arthritis, Thrombozytopenien, Anämien sowie unerwünschte Wirkungen, wie sie grundsätzlich bei allen Injektionen
und Infusion auftreten können.
Insgesamt ist zu sagen, dass nach den bisherigen Erfahrungen die häufigsten Nebenwirkungen der zellulären Immuntherapien eher in den Tagen unmittelbar nach der Gabe auftreten.
Die Auflistung der Nebenwirkungen auf dieser Website erhebt keine Anspruch auf Vollständigkeit und auch neue noch unbekannte Nebenwirkungen können nicht ausgeschlossen werden.
Im direkten Arzt-Patienten-Gespräch sollte die Art und Dauer möglicher allgemeiner und individueller Nebenwirkungen auch im Verhältnis zu dem erhofften therapeutischen Nutzen besprochen werden.
Gegenanzeigen
Da keine Erfahrungen zu Behandlungen mit dendritischen Zellen in der Schwangerschaft vorliegen, ist eine bestehende Schwangerschaft ein Ausschlusskriterium. Wenn die Laborwerte sehr niedrige Zellzahlen im Blutbild aufweisen, kann eine Gewinnung von Monozyten nicht möglich sein. Andere Krankheiten wie Autoimmunerkrankungen können Ausschlusskriterien sein und bedürfen der individuellen Risikoabschätzung im direkten Kontakt zwischen Arzt und Patient.
Auch hier erhebt die Auflistung keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Dauer der Behandlung
Die Behandlung wird meist als Basisimmunisierung viermal im Abstand von jeweils 4 bis 5 Wochen durchgeführt. Bei Ansprechen der Therapie ohne vollständige Rückbildung des Tumors können monatliche Impfungen bis zur vollständigen Tumorrückbildung empfehlenswert sein. Bei Erfolg können auch Auffrischimpfungen in größeren Zeitabständen zwischen drei und sechs Monaten sinnvoll sein.
Kostenübernahme
Unserer Erfahrung nach werden die Therapiekosten von einigen privaten Krankenversicherungen getragen, viele lehnen eine Kostenübernahme aber ab. In Einzelfällen wurde die Leistungspflicht von privaten Krankenversicherungen gerichtlich festgestellt.
Bei den gesetzlichen Krankenkassen werden die Kosten in der Regel nicht übernommen, obwohl das Sozialgesetzbuch V unter bestimmten Vorraussetzungen eine Leistungspflicht festschreibt (Sozialgesetzbuch V Novelle vom 01.01.2012 §2 Absatz 1a).